Pressekritik: Liber ecclesiastes I/II
Aufführung zu den XXVII. Hallischen Musiktagen
Meißner Kantorei 1961, Christfried
Brödel
Presse: Mitteldeutsche Zeitung, 10. 11. 1997
... Denn mit den "Liber ecclesiastes" hatte der
Hallenser Thomas Buchholz die große Herausforderung für Interpreten
wie Hörer formuliert: Die vier- bis zehnstimmigen Motetten auf Texte
aus dem biblischen Buch der Prediger kombinieren atmosphärische Äußerungen
und artikulieren Botschaften und deuten so weit über die bloße
Notation der überlieferten Verse hinaus. Vielmehr untersucht der Komponist
hier die Entstehung von Sprache aus ungeformten Lauten, er läßt
Überleiferung aus der Erinnerung aufsteigen und behauptet so den musikalischen
Klang als Urbild des Textes. ...
Andreas Hillger
Tief anhaltendes Erlebnis
Uraufführung von Thomas Buchholz in der Kreuzkirehe auf dem Kaßberg
(MES). Der "Meißner Kantorei 1961" geht ein guter Ruf voraus.
... Von der Intensität des Vortrages und dem tiefen Eindruck auf die
Zuhörer stand wohl die Uraufführung von Thomas Buchholz im Mittelpunkt.
Die beiden Motetten "Liber ecclesiastes - fragmentum
I" des 35-jährigen Komponisten aus Halle für gemischten Chor
dürften zur äußerst anspruchsvollen, technisch schwierigen
Chorliteratur zählen, ein Werk, das den Chor mit teilweise chorsolistischen
Passagen in allen Stimmen aufs äußerste fordert.
Der lateinische Text ist den Predigertexten aus
dem Alten Testament entnommen: "Ich wandte mich um und sah die Betrügereien,
die unter der Sonne geschahen; und die Tränen der Unschuldigen, die
keinen Tröster hatten ..."
Der Komponist fand darineijen Text mit so gültigen
Fragen, wie sie heute nicht treffender gestellt werden können. War
es die Aktualität, die emotionale Dichte, mit der der Komponist und
damit der Chor die Misere herausklagten? Es ist Christfried Brödel
zu danken, daß der vorab das Werk kurz vorstellte, an Klangbeispielen
verdeutlichte, mit welchen musikalischen Mitteln der Komponist arbeitet,
Klage hörbar, bewußt macht. So unterlegt er Textstimmen mit
lang anhaltenden, klagenden, ja meditierenden Glissandi, einem seelisch
tiefgründenden Klagegesang. die Trauerarbeit verfehlte ihre Wirkung
nicht.
Der zweite Teil antwortrt entschlossen auf den ersten:
"Und ich erkannte, daß nichts besser ist, als fröhlich zu sein
und sich gütlich zu tun in seinem Leben". Von vier zusammenhängenden
Kompositionen wurden die beiden ersten zur Uraufführung gebracht.
... Der Komponist fordert die Sänger außerordentlich, sein Standpunkt,
daß nur in der Forderung Großes entstehen kann, ist nicht untertrieben.
Die Mühe lohnt sehr: Das Motettenwerk gestaltet sich zum tiefen, anhaltenden
Erlebnis. ...
Das war nicht nur Pflicht, das war Kür! ...
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