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Pressekritik

A-Chor

Presse: Chorzeit – Das Vokalmagazin, Nr. 71 (Mai 2020), S. 54

Über Waldorfschulen gibt es immer wieder einmal pädagogische Kritik zu lesen. Selten oder nie hingegen wird die künstlerische und musische Komponente der pädagogischen Arbeit kritisiert. Der Komponist Thomas Buchholz (*1961) unterrichtete von 2011 bis 2018 an der Freien Waldorfschule in Halle (Saale). Dieser Tätigkeit entspringt die hier besprochene Anthologie, die er ausdrücklich seinen SchülerInnen widmet. Abschiedsschmerz klingt im Vorwort der Anthologie mit. So beschreibt Buchholz, der selbst einer Musikerfamilie entstammt, dass Waldorfschulen im musikalischen Bereich vieles zu bieten hätten. Dies, so stellt er klar, sei jedoch weniger das Verdienst von Rudolf Steiner, des Begründers der Waldorfpädagogik, als viel mehr dem Umstand zu verdanken, dass durch FachlehrerInnenmangel seit Jahrzehnten BerufsmusikerInnen an Waldorfschulen eingestellt würden. Die vorliegenden Kompositionen verlangen teilweise in der Tat zumindest rudimentär versierte ChorsängerInnen und auch eine entsprechende Anleitung. Der Schwierigkeitsgrad ist hier jedoch unterschiedlich. Bei der Auswahl der Kompositionen beschreibt Buchholz den Jahreskreislauf. Zu Beginn steht der Kanon „Zum Anfang des Jahres“, ein Swingtitel für gemischten vierstimmigen Chor (S1, S2, A1, M) zu einem Text von Georg Philipp Telemann (1681 – 1767). Die abwechslungsreichen Kanons des Bandes erzählen teilweise biografisch die Arbeit mit dem Chor der Waldorfschule. So entstand ein Abendsingen im Klostergang mit dem Titel „Michaelstein-Kanon“ oder der Kanon „A-Chor“ im Chorlager, in dem es heißt „Morgenwind im großen Saal lässt die Lungen prusten. Die drei- bis vierstimmigen Sätze „Was im Einzelnen gefügt“, „Dort bläht ein Schiff die Segel» und „So treiben wir den Winter aus“ sind für Schulchöre durchaus anspruchsvoll. „Trotte, trotte Saint Martin“ als fünfstimmiger Satz verlangt den SängerInnen schon einiges ab, es ist angelegt als vierstimmiger Frauen- oder Kinderchorsatz mit zusätzlicher Männerstimme. So scheint es auch an der Waldorfschule einen höheren Mädchenanteil in den Chören zu geben oder der Komponist reagiert auf die noch nicht eingesetzte Mutation. Die zweistimmigen Sätze „Beschwörung der Waldgeister“ und „Stille Nacht, heilige Nacht“ sind schnell darstellbar. Zuletzt fragt man sich, ob der Komponist die „Hallische Waldorf-Kadenz“ mit dem Text „Wenn einer, der mit Mühe kaum geklettert ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär’, so irrt sich der“ bewusst ans Ende der Anthologie gesetzt hat. Vielleicht wollte er damit auch noch einmal subtil verdeutlichen, dass er, wie im Vorwort erwähnt, nicht ganz einverstanden ist mit der „Guillotine“, der die jahrelange erfolgreiche Musikarbeit an der Schule zum Opfer gefallen ist – durch eine Schulführung, „deren Handlungen offenbar nicht mehr an der bestmöglichen Förderung der Kinder und Jugendlichen orientiert sind“.

Stella Antwerpen

Abdruck mit freundlicher Genehmigung





© 2006 Thomas Buchholz - Komponist

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