Werkeinführung
UNDEUTschLICHt- elf kraikaturen für zwei harfen
- Nr. 1 = Achtel 168
- Nr. 2 = Viertel 140
- Nr. 3 = Viertel 66
- Nr. 4 = Viertel 120
- Nr. 5 = Halbe 55
- Nr. 6 = Viertel 80
- Nr. 7 = Viertel 90
- Nr. 8 = Viertel 100
- Nr. 9 = Viertel 90
- Nr.10 = Viertel 120
- Nr.11 = Viertel 100
Das Werk hat zyklischen Charakter: die zentrale Nummer 6 wird spiegelbildlich
von den anderen Stücken umrahmt. Diese Spiegelbildlichkeit basiert
auf Ähnlichkeiten, die sich aus Retrograde und Inversion in unterschiedlicher
Ausformung ergeben. Der undeutlich, kaum zu erkennende Anfang des Themas
aus Haydns 2. Satz des Quartetts op. 76, 3 ist in jedem Satz vorhanden.
Tonale, intonatorische, motivische, rhythmisch-metrische und harmonische
Varianten führen dazu, dass das im mitteleuropäischen deutschen
Sprachraum als Hymne verwendete Thema Haydns seine Klarheit verliert und
so vom Hörer möglicherweise nicht mehr erkannt werden wird. Diese
Undeutlichkeit kann als durchaus nicht unpolitische Werkidee gesehen werden.
Die Frage, ob „undeutlich“ und „undeutsch“ synonym oder antonym sind oder
der beabsichtigte gedankliche Querstand von „undeutlichem Licht“ oder ableitende
Wortpaare wie „deutlich - undeutlich, deutsch - undeutsch ...“ sind komprimierte
Form eines poetisch zu wertenden Titels, dessen Sprachform an Ernst Jandl
erinnert, vielleicht auch sonst mit diesem etwas zu tun haben darf. Eventuell
den stillen Protest gegen die Verbrauchbarkeit von Kommunikation - auch
der musikalischen. Wie in Nr. 6, wo, an den Klang einer alten Spieldose
erinnernd, die figurierte Begleitstimme aus Haydns 2. Variation des o.
g. Streichquartettsatzes undeutlich gemacht wird und die „Sehnsucht nach
der guten alten Zeit“ karikiert. Oder in Nr. 3 hindert konsequent falsche
Terzharmonik das Entstehen eines hymnischen Gigantissimus. Den Verbrauch
des Verbrauchten verbrauchen bedeutet hier, seine Form und Erscheinung
widersinnig zu machen.
Hinweis: Die Ausführung erfordert, dass die zweite Harfe um 33
Cent höher eingestimmt wird als die erste Harfe. Nimmt man für
die erste Harfe eine Kammertonfrequenz von 440 Hz an, wird die zweite Harfe
mit einer Kammertonfrequenz von 448 Hz eingestimmt. Der logarithmische
Wert für die Schwebungsdifferenz von 33 Cent (= 1/3 temperierter Halbton)
soll unverändert bleiben, so dass der Frequenzunterschied in Hz entsprechend
angeglichen werden muss, wenn sich der übliche Kammerton (440 Hz)
für die erste Harfe ändert. Beide Harfen sollen gleichschwebend
temperiert gestimmt werden. Wegen der geringen Schwebungsdifferenz ist
eine möglichst genaue Einstimmung erforderlich.
TB.
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