Werkeinführung
Thomas Buchholz: Fluxion III "Letzte Wache"
nach einem Text von Georg Heym
Das Trio entstand 1994 für das Ensemble Sortisatio, Leipzig. Es
ist dem Gedenken an Dr. Eitelfriedrich Thom gewidmet und erfüllt in
diesem Sinne eine Requiemsfunktion. Dr. Thom war in mehrfacher Hinsicht
Förderer meiner künstlerischen Arbeit, oft war ich an seinem
Institut in Michaelstein Gastdozent bei internationalen Seminaren und hatte
insbesondere durch den Sommerkurs Junger Instrumentalisten eine Reihe von
Uraufführungen.
Zur kompositorischen Anlage ist wenig zu erläutern. In zunehmendem
Maße entdecke ich beim Komponieren wie wenig mein Denken nach Bauplänen
funktioniert. Vielmehr sind die Stücke der letzten Jahre mehr Züchtungen
von Tongebilden als denn Konstruktionen. Das soll nicht heißen, daß
mir Form unwesentlich sei, aber sie entsteht erst in der Arbeit und hat
oft mehr eine innere psychologische Prozessualität als denn eine äußere
Logik. Die Reihe der drei unterschiedlich besetzten Werke mit dem Titel
"Fluxion" aus den Jahren 1993 und 1994 bedeutenten für mich das kompositorische
Bewußtmachen dieser Haltung. Für Fluxion III (wie auch
für Fluxion I und II) war ein Gedicht von Georg Heym der gedankliche
und emotionale Auslöser. Traurigkeit, dargestellt in der Unruhe einer
langsamen Musik, deutet auf den Titel: Fluxion ist ein medizinischer Terminus,
der den erhöten Blutandrang bei offenen Wunden bezeichnet. Mir geht
es um die Mitteilung an den Hörer über Dinge, die mich in einer
Weise betroffen gemacht haben, daß mir Musik ein einziger Ausweg
war. Nicht der unerwartete Tod des Widmungsträgers wird zur Klage,
es geht mir darum, daß wohl jeder weiß, wie es sein kann, wenn
plötzlich das Schweigen herrscht. Das Schweigen nicht als Kotrast
zum Lärm sondern als dessen letzte Konsequenz, der Konsquenz des alltäglichen
Todschlags emotinaler Werte. Im Zusammenhang mit meiner 6. Kammersinfonie
habe ich das einmal als "Sensibilität des Schmerzes" bezeichnet.
Th.B.
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