Werkeinführung
Thomas Buchholz: EOL {End Of Lifetime} für 4 Kontrabässe
Besetzung:
4 Kontrabässe 1. - 3. Kontrabass 4-Saiter,
4. Kontrabass 5-Saiter
keine Skordaturen
Entstehung:
2002 für Matthias Bauer und sein Kontrabassquartett für ein
Konzert in Berlin
Werkaussage:
Meine Beobachtungen in den letzten Jahren bestätigen die Vermutung,
dass den technischen Revolutionen die sprachlichen unmittelbar folgen.
Neue Dinge brauchen neue Namen, worin sich ihre Neuheit bestätigt.
In Politik und Wirtschaft hat sich mitten in saturierten Welten eine Praxis
des Sprachverbrauchs herausgebildet, die in den Versuch mündet, immer
nur positive Sichtweisen zu transportieren. Auch dann, wenn der ursprüngliche
Inhalt mit negativen Aussagen verbunden ist. In diese Sprachverzerrung
gehört auch jener der Computertechnik entnommene Begriff „End of Lifetime“.
Man bezeichnet mit der Abkürzung „EOL“ Bauelemente, die ihre Funktion
durch einen totalen technischen Defekt nicht mehr erfüllen können.
Anstelle der konkreten Benennung, dass das Bauteil oder die Baugruppe „OUT
OF ORDER“, also kaputt sei will man die Unmöglichkeit ihrer Reparatur
zum Ausdruck bringen. Anstelle der Feststellung des technischen Todes wird
mit dem Begriff des Lebens als Ende der Lebenszeit operiert. Innerhalb
einer völlig technisierten Umwelt ist diese sprachliche Verschleierungs-Sensibilität
recht kurios.
Meine musikalische Umsetzung will solches Ende einer Lebenszeit im
technischen vermitteln, gekoppelt mit der Paradoxie, dass die tiefsten
Streichinstrumente höchste Töne mittels technischer Hilfsgriffe
hervorbringen. Die konsequente Mechanik der Werkes ist Teil der Aussage
über die Mechanik des Endes der Mechanik. Auch wohl im Englischen
lügt man, wenn man höflich ist.
Struktur:
Harmonische Flageoletts bilden das strukturelle Gerüst der streng
strukturierten, durch deutliche Zäsuren gegliederten einsätzigen
Komposition. Neben der vorwiegenden Verwendung von natürlichen Flageoletts
aller Saiten bilden percussive Akkordpassagen ein wesentliches kompositorisches
Element des Werkes.
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